Kollagenosen
Die Krankheit – was sind Kollagenosen?
Früher wurde angenommen, dass bei den Kollagenosen hauptsächlich eine Veränderung im Bindegewebe vorliegt. Heute weiß man, dass es sich um systemische Autoimmunerkrankungen handelt, die auch die Blutgefäße angreifen können. Typisch ist, dass verschiedene innere Organe, Haut und Gelenke gleichzeitig oder nacheinander erkranken. Die Krankheiten verlaufen chronisch.
Kollagenosen sind selten. Frauen erkranken wesentlich häufiger an ihnen als Männer. Die häufigste Kollagenose ist das Sjögren-Syndrom. Eine andere Form, der systemische Lupus erythematodes (SLE), tritt vor allem bei Frauen zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr auf. Auch Polymyositis und Dermatomyositis kommen bei Frauen zwei bis drei Mal häufiger vor als bei Männern. Ein Sonderfall ist die Misch-Kollagenose (Mixed Connective Tissue Disease – MCTD). Sie vereint die Symptome einer systemischen Sklerose, eines Lupus oder anderer Kollagenosen in sich.
Wie schwerwiegend die Beschwerden sind, lässt sich nicht voraussagen. Es kann zu ständigen Schüben kommen. Ebenso ist es möglich, dass die Krankheit sich über Monate nicht meldet.
Ursachen - wie kommt es zu Kollagenosen?
Kollagenosen sind Autoimmunerkrankungen. Bei dieser Form von Erkrankungen richtet sich das Abwehrsystem des Menschen gegen den eigenen Körper. Das Immunsystem hält gesunde Körperzellen für krank oder fremd und bekämpft sie. Warum es in diesen Fällen Freund und Feind nicht unterscheiden kann, ist nicht bekannt.
Einige Verursacher konnten Wissenschaftler jedoch identifizieren. Mit großer Wahrscheinlichkeit spielen etwa bei der Entstehung des systemischen Lupus erythematodes weibliche Geschlechtshormone eine wichtige Rolle. Sonnenlicht ist mit ziemlicher Sicherheit ein Auslöser für den systemischen Lupus erythematodes. Auch das wissen Forscher heute. Manche Medikamente können ebenfalls ein dem Lupus ähnliches Krankheitsbild hervorrufen. Bei anderen Kollagenosen wie der systemischen Sklerose und dem Sjögren-Syndrom ist über die Ursachen nichts bekannt. Man vermutet, dass erbliche Faktoren sowie Umwelteinflüsse (Mineralstaub oder Infektionen) eine Rolle spielen.
In seltenen Fällen können bösartige Tumore eine Kollagenose auslösen, etwa bei einer Polymyositis oder einer Dermatomyositis. Eine Polymyositis ist eine Entzündung der Skelettmuskeln. Verändert sich zusätzlich zu den entzündeten Muskeln auch noch die Haut, spricht man von einer Dermatomyositis.
Die verschiedenen Kollagenosen machen sich auf unterschiedliche Weise bemerkbar.
Sjögren-Syndrom
Das Sjögren-Syndrom zeigt sich hauptsächlich durch eine verminderte Tränen- und Speichelproduktion durch Erkrankung der Tränen- und Speicheldrüsen mit folgenden Symptomen:
- trockener Mund
- Probleme beim Schlucken und längerem Sprechen
- Probleme mit den Zähnen (Karies)
- rissige Zunge
- trockene Augen, fehlende Tränenflüssigkeit
- trockene Schleimhäute
Wenn sich Ohrspeicheldrüsen entzünden und dadurch anschwellen, werden die Wangen breiter, ähnlich wie beim Ziegenpeter.
Typisch für das Sjögren-Syndrom sind auch allgemeine Krankheitszeichen, wie:
- Müdigkeit
- Abgeschlagenheit
- Gelenk- und Muskelschmerzen
Das Syndrom kann sich auch auf andere Organe ausbreiten. Die Bauchspeicheldrüse kann sich entzünden. Das kann zu Verdauungsstörungen führen.
Gelegentlich kommt es durch Nervenschädigungen zu einem einseitigen Gesichtsschmerz (Trigeminusneuralgie).
Systemischer Lupus erythematodes
Der systemische Lupus erythematodes kündigt sich oft zunächst durch eine Überempfindlichkeit bei Sonnenbestrahlung an. Nach einem Sonnenbad rötet sich die Haut mehr als gewöhnlich. Verschiedene Gelenke (Finger, Hände oder Knie) schmerzen und schwellen manchmal sogar an.
Wenn sich die Häute um das Herz oder die Lunge entzündet haben (Rippenfell- oder Herzbeutelentzündung), spüren die Patienten stechende Schmerzen im Brustkorb, die das Atmen erschweren. Diese Erkrankungen müssen sofort behandelt werden.
Häufig sind auch die Nieren betroffen. Ein Hinweis kann ein schäumender Urin sein. Es kommt auch vor, dass die Nerven befallen sind (neuropsychiatrische Ausfälle). Die Blutgerinnung kann bei einer Gruppe von Patienten gestört sein. Das kann Thrombosen oder Fehlgeburten zur Folge haben. Bei vielen Patienten zeigen sich auch zusätzlich die Symptome der Sjögren-Krankheit. Fast alle Patienten klagen über verschiedene Allgemeinsymptome. Sie fühlen sich müde und abgeschlagen, ihnen ist kalt, sie haben Fieber und verlieren an Gewicht.
Systemische Sklerose
Zu den typischen Merkmalen gehört das Raynaud-Syndrom. Dabei verkrampfen sich die Blutgefäße der Finger. Die Finger werden erst weiß (wie abgestorben), dann blau, schließlich rot, wenn die Durchblutung wieder einsetzt. Diese schmerzhafte Durchblutungsstörung kann Gewebsdefekte an den Fingerspitzen (Nekrosen) verursachen.
Eine systemische Sklerose zeigt sich auch durch eine mehr oder weniger ausgedehnte Verdickung und Verhärtung der Haut – vor allem an Händen, Beinen und Gesicht. Zu Beginn der Erkrankung schwellen die Finger eher an, im Verlauf werden sie dünner. Dadurch erklärt sich der Ausdruck „Madonnenfinger“. Typisch für die systemische Sklerose ist der maskenhafte Gesichtsausdruck. Die Krankheit schränkt die Mimik ein. Die Patienten können ihren Mund nicht mehr richtig öffnen. Viele empfinden die Haut als Panzer, weil sie sich nur noch eingeschränkt bewegen lässt.
Auch die Speiseröhre kann in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Betroffenen klagen über Schluckbeschwerden und Sodbrennen. Vor allem die Lunge bereitet vielen Patienten Probleme. Es kann zu Luftnot kommen. Ebenfalls zur systemischen Sklerose gehören typische Allgemeinsymptome wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit.
Polymyositis und Dermatomyositis
Eine Polymyositis wie auch eine Dermatomyositis machen sich zunächst oft durch Allgemeinsymptome bemerkbar:
- Müdigkeit
- Abgeschlagenheit
- Gewichtsverlust
- Fieber
Außerdem klagen die Betroffenen über:
- zunehmende Muskelschwäche in den Schulter-, Arm- und Beckenmuskeln
- Probleme beim Treppensteigen, beim Aufstehen vom Stuhl oder beim Haare kämmen.
- Schluckbeschwerden, wenn die Muskulatur in der Speiseröhre betroffen ist.
Hinter einer Dermatomyositis verbirgt sich manchmal eine Krebserkrankung. Daher sollten Ärzte in diesem Fall sorgfältig nach Tumoren suchen – vor allem in den Eierstöcken, der Haut und in der Brust.
Der Rheumatologe befragt den Kranken und untersucht den Körper zuallererst auf die typischen Symptome der Krankheit. Er nutzt Labor-, Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen. Er prüft die befallenen Organe mithilfe von Funktionstests. Und er veranlasst eine mikroskopische Untersuchung von Organgewebe - zum Beispiel der Niere - , das durch eine Biopsie entnommen wurde. Die Symptome der verschiedenen Kollagenosen können sehr unterschiedlich sein.
Bei einem systemischen Lupus erythematodes erkranken viele Patienten an den Nieren. Eine Entzündung lässt sich mit einer Urinuntersuchung nachweisen. Die ersten sichtbaren Anzeigen dafür, dass etwas nicht stimmt, sind geschwollene Knöchel durch Wassereinlagerungen. Wenn der Urin schäumt, ist das ein Hinweis auf einen hohen Eiweißgehalt. Dann sollten die Patienten sich an einen Arzt werden.
Leidet der Patient unter einer Muskelschwäche, kann die Ursache eine Polymyositis oder eine Dermatomyositis sein.
Typische Anzeichen sind erhöhte Muskelenzym-Werte bei einer Laboruntersuchung. Mit Ultraschalluntersuchungen kommt der Arzt den erkrankten Muskeln auf die Spur. Auch das Kernspintomogramm (MRT) kann frühzeitig Hinweise auf befallene Muskeln geben. Mithilfe einer Elektromyographie prüft man, ob ein Muskel eine ungewöhnliche elektrische Aktivität zeigt. Eine Gewebeprobe aus dem Muskel (Biopsie) kann belegen, dass innerhalb des Muskels entzündliche Prozesse stattfinden.
Bestimmte Autoantikörper können die Diagnose heute so eindeutig sichern, dass eine Muskelbiopsie gar nicht immer nötig ist. Hinweise auf eine Kollagenose liefern die Antikörper immer. Die sogenannten antinukleären Antikörper (ANA) sind bei Kollagenosen typischerweise im Blut nachweisbar. Die genaue Art der Antikörper gibt Aufschluss über die verschiedenen Kollagenosen.
Bei einem aktiven systemischen Lupus erythematodes lassen sich im Blut Antikörper gegen die Erbgutsubstanz DNS nachweisen. Bei Patienten mit Sjögren-Syndrom dagegen sind wiederum anderer Untergruppen der ANA (Anti-Ro- und Anti-La-Antikörper) zu finden.
Kollagenosen sind nicht heilbar, aber mittlerweile gibt es viele Medikamente, die wirksam helfen. Für eine erfolgreiche Therapie sind zwei Dinge wichtig:
- ein erfahrener Arzt, der sich auf Kollagenosen spezialisiert hat
- ein Patient, der seinen Zustand gut einschätzen kann
1. Medikamentöse Kollagenose-Therapie
Die Behandlung der Kollagenosen richtet sich danach, ob gerade ein Erkrankungsschub besteht oder nicht. Sie ist weiterhin abhängig vom jeweils betroffenen Organ. Die Grundlage der meisten Therapien ist eine Kombination aus Kortison und anderen Mitteln, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppressiva). Kortison hemmt Entzündungen im Körper. Zur Behandlung der Kollagenosen selbst setzen Ärzte weitere Präparate ein. Sie wirken stärker und haben weniger Nebenwirkungen als Kortison.
Kortison
Kortison kommt langfristig in geringen Dosen zum Einsatz – oder hochdosiert bei Krankheitsschüben, dann allerdings nur sehr kurz. Bei der Behandlung einer systemischen Sklerose können hohe Dosen sogar gefährlich sein. Die Kortison-Behandlung kann verschiedene Nebenwirkungen haben:
- Erhöhte Infektionsgefahr
- Osteoporose
- Zuckerkrankheit
- Gewichtszunahme
- Gestaltsveränderungen
Diese Nebenwirkungen lassen sich heute aber gut kontrollieren.
Nicht-steroidale Anti-Rheumatika (NSAR)
Sogenannte nicht-steroidale Anti-Rheumatika (NSAR) hemmen Schmerzen und Entzündungen innerhalb von Stunden. Die Krankheit stoppen können sie allerdings nicht. Kombiniert man die NSAR-Behandlung mit Kortison, können Magengeschwüre auftreten. Auch Herz-Kreislauf- oder Nierenerkrankungen können sich bei der Einnahme von NSAR verschlechtern.
Anti-Malaria-Mittel
Das Anti-Malaria-Mittel Hydroxychloroquin kommt bei fast allen Patienten mit systemischen Lupus erythematodes zum Einsatz. Es ist ein „Multitalent“ das auch viele weitere gute Wirkungen bei Lupus-Patienten hat. Weil es bei hohen Dosierungen (vor allem bei dem früher verwendeten Chloroquin) zu Augenschäden kommen kann, sind regelmäßige Kontrollen durch den Augenarzt wichtig.
Cyclophosphamid
Der Wirkstoff Cyclophosphamid verhindert, dass Zellen sich vermehren. Er kommt ursprünglich aus der Krebstherapie, ist sehr wirksam, hat aber starke Nebenwirkungen, so dass er nur bei schweren Verlaufsformen des systemischen Lupus erythematodes eingesetzt wird.
Biologika
Eine große Hoffnung sind biotechnologisch hergestellte Medikamente, die gezielt Entzündungen im Körper bekämpfen können. Zur Behandlung von Lupus erythematodes ist der Antikörper Belimumab zugelassen, der einen Botenstoff abfängt und so eine Verstärkungsschleife der Autoimmunerkrankung unterbricht. Rituximab ist ein anderer Antikörper, der zur Behandlung von Gelenkrheuma und Gefäßentzündungen zugelassen ist.
Immunsuppressiva
Der Wirkstoff Azathioprin unterdrückt das fehlgesteuerte Immunsystem. In der Regel ist es gut verträglich. Methotrexat (MTX) verschreiben Ärzte, um mit niedrigeren Dosen von Kortison auskommen zu können. Es hemmt Entzündungen sehr wirkungsvoll und kann über Jahrzehnte eingenommen werden. Für Patienten mit Nierenfunktionsstörungen kommt das Mittel allerdings nicht in Frage.
2. Nicht-medikamentöse Kollagenose-Therapie
Vor allem bei einer Polymyositis oder eine Dermatomyositis ist Krankengymnastik sehr wichtig. Sie hilft, Muskelkraft aufzubauen, und sie verhindert, dass Muskeln versteifen. Bei einer systemischen Sklerose kommen neben Medikamenten vor allem Massagen, Physio- und Ergotherapie, Atemgymnastik und Bewegungstherapie zum Einsatz. Das verbessert die Durchblutung, und es verhindert, dass Haut und Gelenke steif werden.
Der Patient muss ständig mitarbeiten. Er muss seine Haut pflegen und Bewegungsübungen machen. Wichtig ist auch, dass er Haut und Gelenke vor Kälte schützt. Außerdem sollte er weder rauchen noch Zigarettenrauch ausgesetzt sein.
Eine gesunde Ernährung kann sich positiv auf den Verlauf einer Kollagenose auswirken. Empfehlenswert sind zum Beispiel mediterrane Speisen – vor allem, wenn sie mit hochwertigen Pflanzenölen zubereitet werden. Auch Seefisch ist ratsam. Er ist reich an ungesättigten Omega-3-Fettsäuren, die den Cholesterin-Spiegel senken. Fleisch sollte nicht öfter als zwei Mal pro Woche auf dem Speiseplan stehen. Es enthält eine Säure, die Entzündungen fördert.
Vor allem Patienten, die Kortison einnehmen, sollten mit Süßigkeiten vorsichtig sein. Kortison erhöht den Blutzuckerspiegel. Gesünder sind ballaststoffreiche Kohlenhydrate, wie sie in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten oder Kartoffeln vorhanden sind.
Medizinische Prüfung
Der Text zum Krankheitsbild Kaollagenosen ist medizinisch geprüft.